Da die Grotte di Catullo ringsum von dem umgeben sind, was schon die Römer Natur nannten, ist auch das Wort selbst eine kurze Betrachtung wert. Denn im Gegensatz zur griechischen Physis oder unserem heutigen Landschafts-Begriff weist die lateinische Futur-Form von nasci (entstehen, geboren / hervorgebracht werden) nicht nur auf ein gegenwärtiges Ergebnis hin, sondern drückt auch eine Absicht sowie etwas Zukünftiges aus. Die Natur ist also nicht nur das, was unsere Welt hervorbringt, sondern auch alles, was sie hervorbringen WILL und in Zukunft WIRD. Dieses grammatische Detail ist wichtig, wenn man das römische Weltbild verstehen will, in dem nämlich die Natur ein Spieler ist, der seine eigenen Pläne hat, die sich nicht immer mit denen des Menschen vereinen lassen.
In diesem Zusammenhang entstand der Begriff der domestizierten Natur, also einer vom Menschen bezwungenen Natur, die in den Gärten der Villen und Paläste exakt so wuchs, wie es der Besitzer in Auftrag gab. Ein besonders eindrucksvolles Beispiel dafür findet sich in der römischen Meervilla am Capo di Sorrento, in der die römischen Architekten eine ganze Felsenbucht in die Villen- und Gartenarchitektur mit einbezogen. Interessanterweise sind die heutigen Natur-Varianten „Landschaft“ (deutsch), „landscape“ (englisch) sowie „paessagio“ (italienisch) erst im Mittelalter entstanden, wo sie ursprünglich nur die Bewohner und ihre Gesellschaft bezeichneten. Die sprachliche Einengung auf die bis heute übliche geografische Bedeutung fand erst im Zuge der Landschaftsmalerei des 15. Jahrhunderts statt, also in etwa jener Zeit als die Ruine schon so zugewachsen war, dass sie eher einer Grotte glich als einem Palast.
Über den folgenden Link starten Sie direkt in der antiken Ansicht und können entscheiden, ob Sie sich auf die große Westterrasse begeben oder lieber die Treppe hinunter zu den Waldwegen gehen möchten: https://grotte-di-catullo.com/international/natura